Über das Phänomen digitaler Memes, ihr Spiel mit Referenzen/Kopien, die Anstrengungen des Urheberrechts und die verbleibenden Hürden, wie das Recht am eigenen Bild und an der eigenen Stimme.
Der Begriff „Memes“ steht heute vor allem für ein Generationen und gesellschaftliche Schichten übergreifendes, außerordentlich populäres, neues Kommunikationsmittel der sozialen Medien. Memes sind auf vielfältige Weise - manchmal auch von einer künstlichen Intelligenz - geschaffene Kompositionen. Meistens bestehen sie aus einem Bild- und Sprachanteil (Schrift oder auch Stimme). Gedacht sind Memes in aller Regel als einfache „Witzelei“. Sie sind pointiert ironisch/humorvoll, in der Aussage oft eher belanglos. Die Verkürzung ist eines ihrer wesentlichen Stilmittel. Rechtlich geschützt sind sie als Ausdruck einer Meinungsäußerung, überaus selten als Kunst.
Fotografien/Standbilder oder Filmsequenzen aus dem Alltag, von der Politik bis zur Popkultur, bilden das Grundmotiv („Template“). Davon existieren oftmals verschiedene Variationen, je nachdem mit wie vielen unterschiedlichen Zusätzen (Kommentare, Musik, bildlicheAccessoires, KI-Stimme etc.) sie im Einzelnen versehen werden. Die Memes-Werdung ist abgeschlossen, wenn sich z.B. der Video-Clip durch zahlreiche Abrufe etablieren konnte. Manche Memes verbreiten sich explosionsartig und gehen „viral“. Eines von diesen, wahrscheinlich mit das bekannteste in 2023, war das von Midjourney v5 generierte
KI-Bild von Papst Franziskus mit Daunenmantel der Luxusmarke „Balenciaga“. Viele hielten dieses zunächst für echt, das aber fanden nicht alle unbedingt lustig. Zeigt es doch, wie gefährlich gut KI-Systeme mit einfachen Eingaben („Prompts“) mittlerweile sogenannte „Deepfakes“ generieren können.
Schon Duchamps bearbeitete Reproduktion der Mona Lisa von 1919, „verschönert“ um einen mit Bleistift gezeichneten Schnurr- und Kinn-Bart und den Buchstaben L.H.O.O.Q. (zu deutsch: „sie hat einen heißen Hintern“), war eine Art Meme, zumindest ein analoger Vorläufer. Duchamp wollte sich über den Mythos dieses Gemäldes lustig machen. Von der Mona Lisa hatte er insgesamt ca. 30 verschiedene Variationen produziert, alle mit einem ähnlich ironischen Unterton. Nur, damals hatte der Schutz geistigen Eigentums noch lange nicht den Stellenwert wie heute. Konzeptkünstler wie Duchamp, die Reproduktionen zu Originalen machten, hatten kaum etwas zu befürchten. Doch dieses Ausmaß gestalterischer Freiheit hielt nicht ewig, weil das geistige Eigentum bald zu einem wichtigen ökonomischen Faktor geworden war. Die urheberrechtlichen Regularien wurden hochgefahren, insbesondere seit den 1990er Jahren mit Beginn der Digitalisierung. Das Kopieren und Aneignen fremden Materials zum Zwecke vielfältigster und stetig hinzukommender neuer Nutzungsarten – aktuell wird z.B. ein neues „KI-Nutzungsrecht“ diskutiert - ist ohne Lizenz keinesfalls erlaubt. Ausnahmen gibt es nur wenige.
Aber, die neuen Kommunikationsmittel im Internet, wie eben auch Memes, greifen nunmal auf vor bestehende Werke zurück, die im Überfluss und scheinbar frei zur Verfügung stehen. Die wenigsten „Meme-Maker“ jedoch sind im Besitz entsprechender Lizenzen. Letztlich wird es vom Zufall abhängen, ob die von einzelnen Plattformbetreibern inzwischen erworbenen Rechtepakete weiterhelfen. Nach dem neuen
Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) von 2021 kommen diese nämlich auch ihren Nutzern zugute. Plattformbetreiber haften seitdem ohne Einschränkungen für rechtswidrig hochgeladene Inhalte ihrer Nutzer und wollen sich absichern. Das neue UrhDaG war Bestandteil einer umfassenden Anpassung des Urheberrechts an den digitalen EU-Binnenmarkt. Vorgabe war die DSM-Urheberrechtsrichtlinie von 2019.
Indem die Hersteller von Memes fremdes und meist urheberrechtlich geschütztes Bild-/Fotomaterial oder Filmschnipsel nutzen, diese „neu verpacken“ und im Netz verbreiten, verstoßen sie u.a. gegen das Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG) sowie das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG). Es geht um den „Download“ beim Herstellungsprozesses und den „Upload“ in neuer Form, sofern dieser nicht nur für einen privaten Kreis gedacht ist. Dass diese Konsequenz nicht den aktuellen Lebenswirklichkeiten entspricht und dass das Urheberrecht derzeit ohnehin um seine Bedeutung in manch digitalen Angelegenheiten ringt, haben die Gesetzesmacher zum Glück erkannt. Sie rudern zurück, zumindest wenn es um die Belustigung und die Kunst geht.
Seit den weitreichenden Reformen von 2021 gibt es erstmals eine ausdrückliche Schranke (§ 51a UrhG) für Karikaturen, Pastiches (ein schwieriger Begriff, dazu gleich) und Parodien. In diesen Sonderfällen dürfen fremde Werke erlaubnisfrei genutzt werden, Nutzer und Plattformen sind von einer Haftung befreit. Man wollte auf diese Weise für die Verschärfungen durch das neue UrhDaG einen gewissen Ausgleich schaffen. Voraussetzung aber ist, dass die normale Verwertung des Originalwerks ähnlich der U.S. amerikanischen „Fair-Use-Generalklausel“, die aufgrund ihrer Flexibilität bei der Nutzung fremder Werke insbesondere von KI-Anbietern gelobt wird, nicht tangiert wird. Memes allerdings wollen vor allem Spaß bereiten, eine Konkurrenzsituation ist daher kaum zu befürchten.
Doch sind Memes mit Karikaturen gleichzusetzen? Im Regelfall wohl eher nein. „Echte“ satirische Bearbeitungen von Bildern agieren immer mit Anspruch, d.h. mit kritischem Blick auf politische, soziale oder gesellschaftliche Verhältnisse. Memes aber verfolgen nur in Ausnahmefällen solche Ziele. Sind sie dann ein „Pastiche“ ? Nach der Begründung des Gesetzgebers in jedem Fall „ja“. „Alles“ soll darunter fallen, was zeitgemäße Kommunikation im Internet ausmacht, explizit auch Memes. Eine erstaunlich weite Auslegung also, vor allem wenn man das Verständnis der Kulturwissenschaft dagegenstellt. Ein Pastiche ist nach dieser Sichtweise verkürzt gesagt eine stilistische Nachahmung einer Vorlage. Memes aber ahmen nicht nach, sondern kopieren, es sei denn eine KI war am Werk. Auch ist ein Stil an sich nicht schutzfähig, es sei denn die Nachahmung geht so weit, dass eine Kopie vom Original entsteht. Ein echter „Pastiche-Klassiker“ in diesem Sinne wären etwa die kürzlich in die Schlagzeilen geratenen
Gemäldeversionen der „Paris Bar“. Ein ungewöhnlicher Fall: Der Konzeptkünstler Kippenberger war der Auftraggeber und Valien der Auftragsmaler. Valien sollte zweimal hintereinander die Bilderwand der Paris Bar nach Fotovorlagen auf Leinwand übersetzen. Der„Clou“ der 2. Version war, dass auf der Vorlage auch die inzwischen aufgehängte 1. Version zu sehen war. Diese verschiedenen Nachahmungen aber waren nicht der Streitpunkt. Alle Beteiligten waren mit dieser Vorgehensweise einverstanden. Hier ging es um die Frage der Autorenschaft, am Ende sind jetzt beide Urheber.
Und jetzt? Auch unsere Richter wissen offenbar nicht weiter. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) soll nun nachdenken und einen EU-einheitlichen, sinnvollen Pastiche-Begriff verbindlich festlegen. Anlass dieser Anfrage durch den Bundesgerichtshof ist der jahrelange Rechtsstreit um das Musikstück
„Metall auf Metall“. Es geht um die Übernahme einer kurzen Rhythmussequenz als durchlaufender Beat für einen neuen Titel. Die Pastiche-Schranke könnte dem neuen Werk zu Hilfe kommen. Memes als Parodie? Wahrscheinlich noch am ehesten. Nach der Definition des EuGH darf eine „freigestellte“ Parodie zwar ein bestehendes Werk mit Humor verspotten oder nachahmen, doch müssen wahrnehmbare Unterschiede zum Original bestehen. Bei einer Reihe von Memes wird es jedoch fraglich sein, ob die manchmal nur geringfügigen Modifikationen dieser Anforderung standhalten. Wie auch immer, Karikatur, Pastiche oder Parodie. Letztlich wollen die Gesetzgeber die neuen digitalen Kommunikationsformen unbedingt legalisieren, das ist klar. Der „Königsweg“ wird sich daher finden müssen.
Zuallerletzt: An dem hingegen grundgesetzlich geschützten Persönlichkeitsrecht der in Memes Abgebildeten wird niemand vorbeikommen. Es geht um das Recht am eigenen Bild und der eigenen Stimme. Diese Rechte können nur durch andere Rechte mit Verfassungsrang eingeschränkt werden. Memes dürfen demnach – ohne Einwilligung - nur Bildnisse von bekannten bzw. prominenten Personen wiedergeben, denn nur an ihnen besteht ein ggf. überwiegendes gesellschaftliches Informationsinteresse. Gleiches gilt für die Stimme. Wenn aber Prominente in Memes ohne sachlichen Bezug lächerlich gemacht werden, wenn die ihnen in den Mund gelegten Worte nicht erkennbar „unwahr“ sind, oder wenn ihre Privat- und Intimsphäre auf drastische Weise tangiert wird, ist nämlich hier Schluss.